Wenn Pilze im Pankreas pöbeln... - Naturheilpraxis Elpenrod

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Wenn Pilze im Pankreas pöbeln...

Neben Bakterien spielen offenbar auch Hefepilze eine Rolle bei der Entwicklung bestimmterTumoren. Onkologen fanden nun heraus, dass Hefen das Wachstum von Pankreaskarzinomen verstärken.
Immer mehr neue Forschungsarbeiten weisen in die Richtung, dass unsere mikrobielle Flora großen Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems, die Karzinogenese und sogar auf dasAnsprechen auf Immuntherapien nimmt.
Eine in Nature erschienene Arbeit zeigt nun erstmals, dass auch Pilze der residenten Flora wichtige Akteure sein könnten. Sie fanden heraus, dassMalassezia-Hefendas Wachstum von Pankreas-Karzinomen verstärken, indem sie über die Komplement-Kaskade zu pankreatischer Inflammation beitragen. Experten schätzen, dass das duktale Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) bis 2030 zur zweithäufigsten3Krebstodesursache der USA aufsteigen wird, wenn keine neuen Präventions- und Therapieansätze gefunden werden. Studien der letzten Jahre erbrachten spannende Hinweise darauf, dass das Mikrobiom des Darms (dem mikrobiell am dichtesten besiedelten Ökosystem des Planeten) nicht nur die systemische, sondern auch die tumorspezifische Immunität beim PDAC beeinflusst.
Neu ist, dass auch die mykotische Komponente des pankreatischen Mikrobioms (das sog. Mykobiom) beim PDAC alteriert ist. Eine im Oktober 2019 in der Zeitschrift Nature publizierte Arbeit deutet darauf hin, dass die Einwanderung von Pilzen der Gattung Malassezia aus dem Darm über den Ductus pancreaticus und deren ungewöhnlich starke Vermehrung dasTumorwachstum im Pankreas fördern.
Das Mykobiom – ein bislang wenig erforschter und unerkannter Player:
All unsere Häute und Schleimhäute werden von harmlosen Mikroben, den Kommensalen, bewohnt. Diese können jedoch – als Antwort des Immunsystems auf Verletzung oder Infektion – entzündliche Prozesse aktivieren. Dass dies für die Karzinogenese eine Rolle spielt, wurde schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermutet, als Helicobacter pylori und später Fusobacterium nucleatum mit der Entwicklung von Magen- und Darmkrebs in Verbindung gebracht wurden. Doch erst seit Kurzem ist beschrieben, dass Mikroben wie diese die Krebs-Immunüberwachung unterlaufen und indirekt die Onkogenese vorantreiben können.1Ein Team von der NYU (New York University) konnte sowohl bei PDAC-erkrankten Menschen als auch im Mausmodell eine im Vergleich zu Gesunden deutlich erhöhte Pilzkolonisierung im Pankreas nachweisen, insbesondere mit Malassezia, einer Hefepilzart, der beim Menschen zur residenten Standortflora der Haut gehört. In PDAC-Biopsien waren Malassezien ebenfalls auffallend zahlreich vorhanden.Per Fluoreszenz-Tagging fanden die Forscher heraus, dass die Pilze aus dem Darm in das Pankreas wandern, sich dort um den Faktor 1.000 vermehren und die Komplement-Kaskade in Gang setzen. Das extrazelluläre Protein MBL (Mannose-bindendes Lektin) erkennt eine noch nichtidentifizierte, von Malassezien exprimierte Struktur, wodurch der Komplementfaktor C3 aktiviert wird. Die Komplement-Kaskade, ein evolutiv sehr alter „first responder“ Mechanismus unseres Immunsystems, soll Infektionen abwehren, aber stimuliert im Rahmen von Heilungsprozessen auch Zellwachstum, -überleben und -migration. Frühere Arbeiten konnten zeigen, dass Komplementaktivierung aggressives Gewebewachstum (Krebs) vorantreibt, wenn es mit anderen Faktoren, wie genetischen Fehlern, zusammentrifft.5,6Mikrobiom-modulierende Wirkstoffe als starke Kandidaten für zukünftige klinische StudienDie Forscher von der NYU behandelten sodann ihre erkrankten Mäuse mit dem Breitspektrum-Antimykotikum Amphotericin B. Dies senkte das PDAC-Tumorgewicht über 30 Wochen um 20-40 % und das Auftreten von PDAC-Vorstufen (duktalen Dysplasien) um 20-30 %. „Die Pilzentfernung verstärkte auch den Antitumor-Effekt einer Standard-Chemotherapie (Gemcitabin) um 15-25 %“,fügt Erstautor Dr. Berk Aykut hinzu.6Nachdem das Pankreas der Mäuse durch diese Behandlung fast pilzfrei war, untersuchten die Wissenschaftler, welchen Effekt auf das Tumorwachstum eine kontrollierte Re-population nur mit bestimmten Spezies hat. Bei Wiederansiedlung von Malassezien wuchsen die Tumoren 20 % schneller, nicht jedoch bei anderen physiologisch häufigen Pilzarten.Die Studie deutet somit auf einen neuen möglichen Therapieansatz hin: Vielleicht könnte die gezielte Veränderung der mikrobiellen Flora durch direktes Targeting bestimmter Populationen zu Fortschritten gegen diese aggressive Krebsart beitragen. Alternativ wären auch Therapien denkbar, die sich gegen Immunkomponenten wie MBL richten (auch wenn dies natürlich heikel ist, da diese Mechanismen Pilzinfektionen kontrollieren).Aykut und Kollegen konnten mit ihrer Arbeit eine bisher unbekannte und unterschätzte Bedeutung des Mykobioms für den Tumorprogress aufdecken. Auch für bakterielle Spezies ist eine Rolle für Tumormikroumgebung und PDAC-Entwicklungbeschrieben.7Allerdings muss man anmerken, dass die Frage nach Ursache und Wirkung bislang nicht abschließend geklärt ist. Immerhin könntesich die Onkogenese auch auf die Zusammensetzung des Mykobioms auswirken. Inwieweit Wechselwirkungen zwischen Myko- und Mikrobiom pathogenetisch relevant oder sogar verantwortlich sind, könnte eine wichtige Frage zukünftiger Studien sein. Pilze und Bakterien koexistieren im Darm und auf anderen Schleimhäuten und es ist wahrscheinlich, dass sich Veränderungen in einer Population auf die andere auswirken.5Daher ist klar, dass sich jeder Eingriff nie nur auf das „Onkobiom“, sondern auf die gesamte Flora auswirkt. So wird der Einsatz von Antibiotika möglicherweise auch nützliche, immunmodulierende Bakterien (wie Bifidobakterien8) mit betreffen. Probiotika könnten helfen, die Dysbiose wieder auszugleichen und die Darmschranke stärken, aber – wie bei Antibiotika auch – gibt es bislang präklinische Evidenz sowohl fürtumorfördernde9,10als auch tumorhemmende8Effekte.1Du bist, was du...isst? Die veränderliche Natur des menschlichen MikrobiomsEin wichtiger Teil findet wahrscheinlich noch vor alldem statt, in unserem Alltag.Wir sind mit so vielen Toxinen täglich in Kontakt und bei vielen davon wissen wir nicht bis ins letzteDetail, was sie langfristig in unserem Körper bewirken. Was wir bereits wissen: die typisch westliche Ernährung und der Verzehr verarbeiteter Lebensmittel allein sind schon ein Patentrezept für eine prolongierte Dysbiose des Darms.1Bekannte Risikofaktoren für das PDAC, wie Pankreatitis und Übergewicht, gehen mit einer erheblich veränderten Darmflora einher.11-13„Wir haben mehr Wissenschaftler, mehr Ärzte, mehr Therapeuten, mehr Fitness-Studios [...] pro Kopf, als wir es je hatten und wir sind als Bevölkerung kränker als je zuvor“, sagt Paul Chek, Autorund Ausbilder.14Es wäre bequem, Probiotika oder einfach eine Pille einzuwerfen, aber wie aus diesem Beitrag klar wird, ist die Physiologie komplexer.Die Mikrobiome über- und normalgewichtiger Personen unterscheiden sich oft fundamental voneinander. Eine Arbeit aus derNaturebeschrieb bereits vor Jahren, dass das Mikrobiom adipöser Menschen über eine erhöhte Kapazität verfügt, Energieaus der Nahrung zu gewinnen. Aber auch das Umgekehrte kann der Fall sein. „Wenn die Verdauung nicht funktioniert, können wir uns noch so gut ernähren und noch immer mangelernährt sein“,sagt Andrea Nakayama, Ernährungsberaterin und Ausbilderin. Die Evidenzlage für einen Einfluss von Mikrobiota auf die Entwicklung von Neoplasien ist auch für das KRK (kolorektale Karzinom) stark, wo die Mikroben direkt mit dem Ort der Tumorgenese interagieren. Typisch westliche Ernährungsgewohnheiten reduzieren die Diversität das Darmmikrobioms, begünstigen die Anreicherung bestimmter Spezies auf Kosten anderer, können zu Durchlässigkeit der Darmbarriere (gut leakiness) führen und gehen mit einem erhöhten KRK-Risiko einher.
Statt uniformen Therapien wird es personalisierte, auf den Stoffwechselstatus und die Begleiterkrankungen des Patienten zugeschnittene Interventionen sowie eine bessere Edukation der Bevölkerung brauchen. „Wir als Ärzte müssen unseren Patienten beibringen, wie sie ihr Mikrobiom füttern müssen“,meint Dr. Tom O’Bryan, Arzt und National Book Award-Preisträger.
Quelle: Doc Check12.11.2019
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